Autofreie Stadt

Auf in die Zukunft

 

Semiotik¹ des Hupens

Dem Betätigen einer Hupe können sehr unterschiedliche Bedeutungen innewohnen. Für den Hupenden selbst kommuniziert das akustische Signal weitreichende, einfach verständliche Inhalte von "Achtung, ich überhole" über "Ich hätte Sie eben fast überfahren, es war aber nicht meine Schuld" bis "Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, dass Sie soeben §37.2.6 StVo missachtet haben".

Für alle anderen Verkehrsteilnehmer reduziert sich der Bedeutungsgehalt auf: "Hallo, ich hupe."

Es ist mir rätselhaft, warum sich Autofahrer nach langwierigem, mehr oder weniger tiefgehendem Aneignen des menschlichen Kommunikationsprozesses damit begnügen, wieder in sitzender Haltung eindimensionale Signale abzusondern. Das wilde Gestikulieren soll zwar oft den fehlenden Tiefgang des Hupsignals ausgleichen, schafft aber mehr Fehlkommunikation als es dem Verständnis hilfreich ist.

Fahrradfahrer lassen sich inzwischen davon inspirieren. Als Radfahrer noch die einzigen beräderten Nutzer des öffentlichen Raums waren, war eine Klingel überflüssiger Luxus. Heutzutage ist sie leider häufig notwendig, um den metallenen Mantel der motorbetriebenen Mitbürger zu durchdringen, wenn diese Anstalten machen, den Fahrradfahrer in den toten Winkel zu manövrieren.

Gegenüber Fußgängern ist die Klingel bei niedriger Geschwindigkeit eigentlich unnötig, fahrradwegbesetzende Touristen lassen sich auch durch ein sanftes "Entschuldigung" vom Weg abbringen. Viele Fahrradfahrer nutzen jedoch lieber die Gelegenheit zum Nachahmen der Agressoren, anstatt die mühsam erlernten Formen des menschlichen Miteinanders anzuwenden.

Eine Stadt ohne Autos ist eine Stadt ohne agressives Hupen. Nicht schade darum.

¹Semiotik: die allgemeine Lehre von Zeichen, Zeichensystemen und Zeichenprozessen.