Autofreie Stadt

Auf in die Zukunft

 

Sanfte Mobilität

Der Wikipedia-Artikel über "Sanfte Mobilität" ist eine Fundgrube an Argumenten gegen und Statistiken über den motorisierten Individualverkehr. Die dort angegebenen Gründe für die rasante Ausbreitung des motorisierten Straßenverkehrs sind einleuchtend und teilweise überraschend.

Interessant ist das "Gesetz der Zeitkonstanz": eine schnellere Fortbewegung führt nicht zu einer Zeitersparnis. Stattdessen verlängern sich einfach die zurückgelegten Wege. Statt zu Fuß beim Laden um die Ecke einzukaufen fährt man zum nächsten Einkaufszentrum. Statt im selben Ort zu wohnen, wo man arbeitet, zieht man in den Speckgürtel und pendelt.

Das Argument von "wer Straßen sät, wird Verkehr ernten" ist zwar schon ein geflügeltes Wort, wird in dem Artikel aber auch mit Zahlen unterfüttert. Wenn eine Straßensperrung wegen Bauarbeiten droht, geht der Verkehr auf dem betroffenen Abschnitt schon vorher zurück, weil einfach auf andere Verkehrsmittel ausgewichen wird.

Wenn Straßen zur Verfügung stehen, werden sie auch genutzt. Wenn sie zurückgebaut werden, werden sie nicht vermisst.

 

Interview mit Hermann Knoflacher

Im letzten Jahr gab es ein interessantes Zeit-Interview mit Hermann Knoflacher, Ingenieur und sehr autokritischem Verkehrsforscher. Ein paar Perlen daraus:

Ein normaler Mensch würde unseren derzeitigen Lebensraum als total verrückt bezeichnen: Wir ziehen uns mehr oder weniger freiwillig in abgedichtete Häuser mit Lärmschutzfenstern zurück, um den Außenraum dem Krach, dem Staub und den Abgasen der Autos zu überlassen. Das ist doch eine völlige Werteumkehr, die uns nicht einmal mehr auffällt.

In Anbetracht der Bedingungen, die sich der Mensch für sein Auto geschaffen hat, ist Autofahren eindeutig die angenehmste Form der Mobilität und daher durchaus rational. Betrachten Sie im Vergleich nur einmal die Bewegungsinfrastruktur der Fußgänger. Gehsteige in ihrer heutigen Form sind doch ein Witz! Früher durfte der Fußgänger die gesamte Straßenfläche beanspruchen – 7000 Jahre lang! Während der letzten 50 Jahre haben wir den Fußgänger an den Rand gedrängt und wundern uns, warum diese Mobilitätsform verschwindet. Wir haben Strukturen gebaut, die die Menschen zum Autofahren zwingen!

Jede Benzinpreiserhöhung ist eine rein symptomatische Behandlung und führt automatisch in die soziale Falle. Wenn sich nur Reiche das Benzin leisten können und Arme nicht, bleibt das Verkehrsproblem ungelöst, und eine soziale Ungerechtigkeit kommt hinzu.

Autofahrer genießen auch noch eine andere Art von Freiheit, eine Rechtsfreiheit. Im Gegensatz zu allen anderen Menschen dürfen sie die Umwelt straffrei verlärmen, verunreinigen und die öffentliche Sicherheit gefährden. Ein randalierender Betrunkener wird wegen Lärmbelästigung verhaftet, Autofahrer, die zu allen Tages- und Nachtzeiten unsere Häuser beschallen, werden akzeptiert. Würde ich als Fußgänger mit einer Dose krebserregende Substanzen versprühen, wäre das gesetzeswidrig. Tausende Autofahrer tun das täglich ungehindert und verkürzen die Lebenszeit von uns allen um durchschnittlich zwölf Jahre.

Ich freu mich schon, eine Ausgabe von seinem - leider vergriffenen - Buch "Stehzeuge - Der Stau ist kein Verkehrsproblem" in die Hände zu bekommen.