Autofreie Stadt

Auf in die Zukunft

 

Wiener wohnen autofrei - neue Studie

Das autofreie Stadtviertel Floridsdorf in Wien besteht schon seit zehn Jahren. Bei Einzug verpflichten sich dort die Mieter, ohne Auto zu leben. Die Stadtverwaltung gab nun eine Studie in Auftrag, um die Lebenssituation im Bezirk zu untersuchen.

Die Ergebnisse sind durchaus interessant: so wird das Fahrrad im Vergleich zum Wiener Durchschnitt etwa zehnmal so häufig genutzt! Im Durchschnitt kommen auf jeden Bewohner 1,5 Fahrräder - gerechnet wurde mit 2,5 Fahrrädern pro Haushalt, so dass zusätzliche Fahrradboxen und Unterstellmöglichkeiten nötig wurden.

Besonders auffallend: etwa ein Viertel aller Bewohner gab das Auto auf, um in die Siedlung ziehen zu können. Der Wille für ein anderes Verkehrsverhalten ist also durchaus vorhanden, sobald das entsprechende Umfeld geschaffen ist.

Im Freiburger Vauban-Viertel (über das vor kurzem sogar in der New York Times berichtet wurde) ist dieser Anteil laut einer anderen Studie sogar noch höher: 57% der Bewohner verkauften dort ihr Auto, um einziehen zu können. Dabei war der Autoverzicht dort freiwillig, die Bewohner konnten Parkplätze im benachbarten Parkhaus zu Marktpreisen (ca. 10.000 €) erwerben. Diejenigen, die dies "zur Sicherheit" taten, merkten zu ihrer eigenen Überraschung, dass sie die Flächen so gut wie gar nicht nutzten.

Überraschend ist auch, dass laut der Wiener Studie in den europäischen Ballungszentren und urbanen Gebieten etwa 40% der Haushalte ohne Auto leben. Es wird Zeit, dass sich diese Gruppe endlich der Politik gegenüber bemerkbar macht. Das Auto ist in den Städten sehr viel präsenter, als sich rational rechtfertigen lässt.

Hier geht es zur vollständigen Wiener Studie und einer Zusammenfassung der Ergebnisse.

 

Das Gesetz der Zeitkonstanz

Für viele ist höhere Geschwindigkeit ein Frage der Effizienz: je schneller das Fortbewegungsmittel, desto mehr Zeit würde gespart. Viele Autofahrer gehen davon aus, dass ihr Auto aus reinen Zeitgründen unverzichtbar wäre. Die Deutsche Bahn denkt ähnlich und setzt mit Millionenaufwand ICE-Sprinter ein, damit man in kürzester Zeit von Berlin nach Hamburg kommt.

Aus irgendeinem Grund scheint es trotzdem nicht zu funktionieren. Die Freizeit wird nicht größer, wenn man schneller durch die Stadt rast. Das Wochenende in Spanien wird durch die Flugzeit wieder aufgefressen. Entspannter ist niemand.

 

Wer Straßen sät wird Verkehr ernten

In der Verkehrsplanung wird die Regel "Angebot schafft Nachfrage" normalerweise völlig unterschätzt. Für viele Planer scheint die Nachfrage nach Verkehrswegen, also die Anzahl von Fußgängern, Radfahrern und Autofahrern, eine unabhängige Größe zu sein. Diese Nachfrage müsse nur mit einem entsprechenden Angebot an Straßen und Fahrradwegen befriedigt werden.

Ständige Staus auf der Straße könnten nach dieser Theorie durch den Bau neuer, größerer Straßen gelöst werden. Wenn die neuen Straßen dann wieder gestaut sind, scheint sich die Nachfrage wieder erhöht zu haben und neue Straßen sind notwendig. Unterstützt wird diese Theorie von der herrschenden Meinung in den Wirtschaftswissenschaften, die davon ausgeht, dass Menschen feste Vorlieben haben und diese - soweit finanzierbar - umsetzen.

In der Realität ist das Gegenteil der Fall: wenn eine gestaute Straße verkleinert wird, wie 1993 die Münchner Donnersbergerbrücke wegen Bauarbeiten,fließt der Verkehr sogar flüssiger, denn die meisten Autofahrer steigen einfach auf alternative Verkehrsmittel um. Wenn dagegen eine Straße vergrößert wird, vervielfacht sich der durchfließende Verkehr, bis die Straße wieder verstopft ist.

 

Räder gegen Beine

Ein ständiger Konflikt in der Stadt besteht zwischen beräderten Verkehrsteilnehmern und Fußgängern. Fahrradfahrer und Autofahrer halten sich oft für die größten Widersacher, dabei haben sie ihre Räder gemeinsam. Fußgänger dagegen nutzen die älteste Art der Fortbewegung und die gehorcht anderen Gesetzen.

Während beräderte Gefährte sehr schnell werden können, ist man zu Fuß in der Regel deutlich langsamer - dafür aber sehr viel wendiger. Als Fußgänger kann man jederzeit stehenbleiben, einen Haken schlagen oder zwei Schritte rückwärts machen, um einen Euro vom Gehweg aufzuheben.

Beim Überqueren der Straße oder wenn Fahrräder auf dem Gehweg unterwegs sind, führt eine solche Bewegung schnell zu einer Kollision. Rad- und Autofahrer kalkulieren oft sehr knapp, huschen schnell hinter einem Fußgänger vorbei und rechnen nicht damit, dass der nicht denselben Gesetzmäßigkeiten folgt wie sie.

Letztlich ist das aber der Vorteil am zu Fuß gehen: man ist eben nicht ständig in Eile.

Leider haben die Räder durch ihre höhere Geschwindigkeit auch mehr Durchsetzungsvermögen. Wem auf dem Gehweg ein Fahrrad entgegenkommt, der weicht erstmal aus, auch wenn das dem Fahrradfahrer einfacher fallen würde.

Deswegen braucht selbst eine autofreie Stadt getrennte Geh- und Fahrwege: wenn sich Fahrradfahrer auch oft als Verbündete der Fußgänger fühlen, haben sie doch entgegengesetzte Bedürfnisse. Um längere Strecken mit dem Rad zurückzulegen braucht es Fahrradwege, aber genauso braucht es garantierte Fußgängerzonen, in denen man nicht über die Schulter schauen muss, bevor man um die Ecke geht.

 

Muskelkraft oder Schrittgeschwindigkeit

Das wäre der erste Schritt zu einer menschengerechten Stadt. Notfallfahrzeuge und öffentlicher Nahverkehr unterliegen natürlich anderen Rahmenbedingungen, aber wenn aller Individualverkehr diesen Vorgaben folgte, wären zumindest den krassesten Auswüchsen des städtischen Verkehrs die Spitze genommen. Kinder könnten wieder auf den Straßen spielen und Erwachsenen wäre der öffentliche Raum als Begegnungsort zurückgegeben.

Mit Muskelkraft betriebene Fahrzeuge können gar nicht die Geschwindigkeit und Masse aufbringen, um eine große Gefahr zu sein. Natürlich müssen sich Fahrräder an bestimmte Wege und Vorgaben halten, um andere nicht übermäßig zu gefährden, aber selbst der schlimmste Fahrradunfall ist nicht mit einem Autounfall zu vergleichen. Ganz abgesehen davon, dass die wenigsten Fahrradfahrer überhaupt in der Lage sind, gefährliche Geschwindigkeit erreichen.

Was allerdings nicht funktionieren wird, ist zu hoffen, dass sich Auto- und Motorradfahrer von selbst an Geschwindigkeitsvorgaben halten. Die Erfahrungen der letzten 50 Jahre haben gezeigt, dass sie nicht in der Lage sind, ihre Geschwindigkeit den Umständen oder Geschwindigkeitsbegrenzungen anzupassen.

 

Semiotik¹ des Hupens

Dem Betätigen einer Hupe können sehr unterschiedliche Bedeutungen innewohnen. Für den Hupenden selbst kommuniziert das akustische Signal weitreichende, einfach verständliche Inhalte von "Achtung, ich überhole" über "Ich hätte Sie eben fast überfahren, es war aber nicht meine Schuld" bis "Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, dass Sie soeben §37.2.6 StVo missachtet haben".

Für alle anderen Verkehrsteilnehmer reduziert sich der Bedeutungsgehalt auf: "Hallo, ich hupe."


 

Zebrastreifen für und aus Fußgängern

Schöne Idee aus Portugal: ein Zebrastreifen aus den Namen getöteter Fußgänger.

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